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Schwarzafrika

"Schwarzafrika"? Wenn du über Afrika sprichst, sei spezifisch!

Wie Europas Kolonialgeschichte unsere Sprache prägt

Ich mag es, Wörter zu zerlegen. Machen wir es hier also auch. Schwarzafrika. Oder auch Schwarz – Afrika. Bestehend aus:

  • Einer Farbe (schwarz)
  • Einer geografischen Bezeichnung (Afrika)

Wie immer stelle ich mir die Frage, in welchem Kontext ein bestimmter Begriff verwendet wird. Würdest du beispielsweise sagen, du fährst in den Urlaub nach „Schwarzafrika“? Oder betrifft es Nachrichten aus einem bestimmten Erdteil? Die Faustregel, nach der wir uns richten können, wenn wir bestimmte Wörter benutzen möchten, ist immer gleich (–> „Was soll ich sonst sagen“). Wenn es – wie bei diesem Begriff – um eine geografische Bezeichnung geht, wieso verwendest du dann einen Begriff, der geografisch völlig unpräzise ist? Wieso kombinierst du ihn mit einem Adjektiv, das sich – in diesem Fall – auf die vermeintliche Hautfarbe der Bevölkerung dieses Erdteils bezieht? Ist das bei Ortsbeschreibungen üblich? Was genau meinst du damit und wieso?

Afrika verpixelt
Wer über „Schwarzafrika“ spricht, meint, die Länder Afrikas nicht genauer zuordnen zu müssen. Anders ausgedrückt: „Da sind ja sowieso alle Schwarz. Das sagt doch alles.“

Beispiel Europa

Ersetzen wir mal den Kontext und sprechen über Europa. Meiner Erfahrung nach hilft das meistens ziemlich gut, sich bewusst zu machen, was man da eigentlich sagt. Würdest du auf einen ähnlichen Begriff zurückgreifen und zum Beispiel von „Weißeuropa“ sprechen? Vermutlich nicht. In erster Linie, weil es keinen Sinn macht, in zweiter, weil nicht klar ist, was überhaupt gemeint ist. Und drittens, weil es problematisch ist, eine geografische Einheit mit einer konstruierten Hautfarbe zu verbinden.

Was bedeutet Schwarzafrika?

Was hat es also mit „Schwarzafrika“ auf sich? Gemeint ist doch: Afrika südlich der Sahara. Oder Subsahara-Afrika. Damit wärst du zumindest sprachlich auf der sicheren Seite und drückst dich geografisch präziser aus. Die Frage ist aber: Wann und weshalb sprichst du von dieser Einheit? Geht es um eine wissenschaftliche Auseinandersetzung? Beispielsweise um meteorologische Erkenntnisse, soziale Unterschiede, eine politische oder historische Einordnung? Dann macht es vielleicht Sinn, Afrika in eine nördliche und südliche Einheit einzuteilen, die Sahelzone mittendrin. Oder geht es um eine verallgemeinernde Aussage, die deinen eigenen Annahmen zugrunde liegt, dir zu Ohren gekommen ist oder mit diffusen Quellen belegt ist? Hier ist Vorsicht geboten.

Was ist dein Kontext?

Mein Tipp: Werde spezifischer! Redest du über Ost-, Süd- oder Westafrika? Das südliche Afrika? Das Horn von Afrika? Oder weißt du es gar nicht genau? Möglicherweise ist die Aussage, die du triffst, eine Verallgemeinerung? Dann hilft es nicht, „Schwarzafrika“ mit einem sprachlich korrekten Begriff zu ersetzen. (Beispiel: Im Afrika südlich der Sahara sind die Menschen arm.) Am besten sprichst du über ein spezifisches Land in Afrika oder über eine Region (z.B. die Ostküste Afrikas), auf die du dich beziehst. (Beispiel: Der Bevölkerungsanteil, der unter der Armutsgrenze von 1€/Tag lebt, liegt in Ruanda bei XXX% – Quellenangabe nicht vergessen!)

Afrika in der Berichterstattung

Spätestens in der Berichterstattung solltest du darauf achten, die Länder und Erdteile, über die du schreibst, präzise zu bezeichnen und nicht auf verallgemeinernde Begriffe zurückzugreifen. Insbesondere solltest du Verallgemeinerungen, die auf eine kolonialistische Vergangenheit zurückgehen, vermeiden. Das ist bei „Schwarzafrika“ der Fall, siehe hier: https://www.univie.ac.at/tmb/schwarzafrika-gibt-es-nicht/.

So machst du es richtig

Zahlreiche Staaten vor allem an der West- und Ostküste Afrikas sind zu rasch wachsenden Produzenten geworden. Zu diesen neuen Akteuren zählen Tansania und Mosambik (Gas), sowie Ghana, Äquatorial-Guinea und Uganda (Öl). In den kommenden fünf Jahren wird die Ölproduktion in Sub-Sahara Afrika um jährlich etwa 4 bis 5 Prozent wachsen.

https://www.bpb.de/themen/wirtschaft/energiepolitik/147056/sub-sahara-afrika/

Eine ausgewogene Verwendung der Begriffe „Subsahara-Afrika“ oder „Afrika südlich der Sahara“ gelingt Denis M. Tull der Bundeszentrale für politische Bildung in seinem Artikel „Sub-Sahara-Afrika“ (Creative Commons Licence CC BY-NC-ND 3.0 DE). Darin trifft er sowohl Aussagen über die Region als Ganze als auch Beobachtungen zu einzelnen afrikanischen Ländern: https://www.bpb.de/themen/wirtschaft/energiepolitik/147056/sub-sahara-afrika/. Das ermöglicht beim Lesen einen differenzierten Überblick. Der Autor liefert ebenso Informationen zur Region Subsahara-Afrika wie die Vielfalt und Unterschiede innerhalb dieser Region. So nimmst du Subsahara-Afrika nicht als einheitliche Masse wahr.

„Schwarzafrika“: Finster, schwarz, gefährlich

Afrika als Spielbrett europäischer Fantasien

Wenn dich all das nicht überzeugt, versuchen wir es damit: Der Begriff „Schwarzafrika“ trägt einen unschönen Beiklang. Mir fällt noch folgender ein: „Der dunkle Kontinent“. Beides, „schwarz“ und „dunkel“, transportiert finstere, unangenehme Gefühle, sie haben etwas Angsteinflößendes, Illegales. Sagt übrigens auch der Duden. Gib dort doch mal den Begriff „schwarz“ ein und schau dir die Synonyme an. Auf die kommst du bestimmt auch selbst, wenn du überlegst, in welchen Zusammenhängen du den Begriff „schwarz“ umgangssprachlich benutzt. Zum Beispiel beim Schwarzfahren oder wenn du jemandem den schwarzen Peter zuschiebst oder alles schwarzmalst, wenn das schwarze Schaf in der Familie mal wieder Unheil stiftet oder jemand mit schwarzer Magie Böses herbeischwört.

Kolonialreisen in der Literatur

Mir als Literaturwissenschaftlerin kommt natürlich auch „Das Herz der Finsternis“ in den Sinn. Der Roman von Joseph Conrad vom Ende des 19. Jahrhunderts beschreibt die Menschen aus Afrika als Schattengestalten, die Geistern gleich die Buchseiten durchstreifen. Sie verwandeln die Reise des europäischen Protagonisten in ein Mysterium, verursachen Unbehagen, ja, Schrecken. Ohne Namen und Gesichter wirken sie nicht wie Menschen. Sie sind das Abbild eines Europas, das sich einen Gegenpol sucht, einen Ort, der noch ursprünglich ist, geleitet vom Gefühl, nicht vom Verstand, frei von den Regeln und Engen der modernen Gesellschaft. „Schwarzafrika“ ist hier im wahrsten Sinne des Wortes der primitive Erdteil, den Europa für seine exotistischen Fantasien herbeigedichtet hat. Wenn du mehr darüber wissen möchtest, lies die Abhandlung des nigerianischen Autors Chinua Achebe „An Image of Africa: Racism in Conrad’s Heart of Darkness“, veröffentlicht 1988 in der Sammlung Hopes and Impediments. Interessante Gedanken dazu bietet auch das Portal www.postcolonialweb.org.

Afrika in der Hand des Dunklen: So hat sich Europa den Kontinent lange vorgestellt.

Was du mit „Schwarzafrika“ sagst

All das und noch viel mehr schwingt in dem Begriff „Schwarzafrika“ mit. Abgesehen davon, dass seine Verwendung unpräzise, und geografisch meist unkorrekt ist, transportiert er die Gefühle, die den europäischen Kolonialismus geleitet haben. Diese Sicht hat mittlerweile auch der Duden übernommen. Wenn du diese Botschaft nicht vermitteln willst, vermeide den Begriff lieber und ersetze ihn mit den Ländern und Regionen, über die du tatsächlich sprichst. Und wenn du dir nicht sicher bist, worauf du dich beziehst, ist vielleicht der Inhalt dessen, was du gerade sagst, nicht ganz korrekt (–> „Und was sage ich dann?“). Deshalb, lieber nochmal überlegen 😊.

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Wer ist divers?

Ich spreche nie über Diversität, ohne über Diskriminierung zu sprechen. Denn der einzige Grund, warum wir über Diversität sprechen, ist, weil sie nicht vorhanden ist. Und sie ist nicht vorhanden, weil Menschen diskriminiert werden.

Marrianne Mahn

Wer ist divers? Lässt sich das überhaupt definieren? Was steckt hinter dem Modewort „Diversität“ und worauf kommt es dabei an?

Marrianne Mahn, Vorsitzende des Kulturausschusses im Frankfurter Stadtparlament, gab dazu ein Interview, in dem sie über die Problematik des Diversitäts-Verständnisses, undiverse Parlamente, Privilegien, unzugängliche Räume und vieles mehr spricht.

https://www.hessenschau.de/kultur/politikerin-mirrianne-mahn-das-parlament-ist-der-undiverseste-raum,diversity-tag-mirrianne-mahn-100.html