Posted on Schreib einen Kommentar

Was ist los mit Winnetou?

Schon mal bei Instagram #Winnetou eingegeben? Oder einfach gegoogelt? Nein. Dann mach das mal. Und dann lies weiter.

Ganz ehrlich. Was soll diese Debatte? Wieso diskutieren wir überhaupt? Ist es nicht offensichtlich, dass bei dem neuen Winnetou-Film, der sich an Kinder richtet, rassistische Klischees bewusst dafür eingesetzt werden, massentauglich zu sein? Dass damit der weiße Drang nach Exotismus gestillt wird? Offensichtlich nicht.

Aber warum nicht? Ganz einfach: Weiße Menschen sind es nicht gewohnt, dass ihre Meinung in Frage gestellt wird. Insbesondere dann nicht, wenn es um Rassismus geht. Mohamed Amjahid erklärt den Zusammenhang mit dem Begriff „White Fragility“. In einer Gesellschaft, wo Weißsein die Norm ist (–> white normativity), entwickeln weiße Menschen „eine defensive Haltung […], wenn sie eine (egal ob harmlose, diplomatische oder humorvoll verpackte) Priviligienkritik hören.“ Sie fühlen sich dann sofort angegriffen. So wie in dieser Debatte. Winnetou verbieten? Wie bitte? Das raubt uns die Identität! Weil Winnetou ja elementar mit der Deutschen Kultur verbunden ist und die Kindheitserinnerungen jetzt zu schwimmen beginnen. Denn im Gegensatz zu Menschen, die von Rassismus betroffen sind (Bi_PoC), können Weiße einfach so tun, als gäbe es ihn nicht. Sie nehmen Rassismus nicht war. Das bezeichnet Amjahid als „den weißen Fleck.“ (Mehr zum Thema Privilegien findest du hier.)

Doch wie sieht es mit den Kindheitserinnerungen aus? Ist etwas dran an dem Argument, dass die Kultur ausgehöhlt wird, wenn literarische Texte hinterfragt und diskutiert, ja sogar umgeschrieben werden, um rassistische Formulierungen auszumerzen wie bei Pipi Langstrumpf? Persönlich finde ich diese Debatte mühselig. Und ärgerlich. Denn was tut es einem Buch wie „die unendliche Geschichte“ schon ab, wenn ich dort Sätze umformuliere, die im Kontext keinen Mehrwert haben, sondern nur Stereotype verfestigen. Hier findest du zwei Beispiele.

„In diesem Lichtschein stieg ab und zu ein Rauchkringel auf, wurde größer und zerging weiter oben in der Dunkelheit. Es sah aus wie die Signale, mit denen I*… sich von Berg zu Berg Nachrichten zuschicken.“

Die unendliche Geschichte

„Strumpfsockig ließ er sich im T*sitz auf den Turnmatten nieder und zog sich wie ein I* die grauen Decken über die Schultern.“

Die unendliche Geschichte

Besonders im zweiten Satz könnte sich Bastian „im Schneidersitz“ hinsetzen und sich die grauen Decken über die Schultern ziehen, ohne dabei auf indigene Völker zu verweisen, die mit dem Geschehen nichts zu tun haben und von denen wir obendrein nicht wissen, wie sie sich Decken über die Schultern ziehen. Es hätte zur Folge, dass Kindern überholte bzw. rassistische Begriffe und damit verbundene Klischees nicht ständig in den Kopf gemauert werden, während der Satz inhaltlich und sprachlich nichts einbüßen würde. Abgesehen davon ist es eine der Merkmale guter Literatur, Klischees zu vermeiden. Wieso halten wir also an Klischees fest, die in früheren Texten vorkommen?

Bei der neuen Winnetou-Debatte geht es aber nicht um das Umschreiben oder gar Verbieten von historischem Material und Texten von bereits verstorbenen Autor*innen, sondern um neu erzählte Geschichten. Die Frage ist, wieso diese die Fehler der Vergangenheit überhaupt reproduzieren müssen. Die größte Problematik, und daher vermutlich auch die hitzige Diskussion, ist meines Erachtens ohnehin, dass diese Neu-Verfilmung sich konkret an Kinder richtet. Denn Kinder können die so häufig bemühte Abstraktion zwischen Fiktion und Realität nicht im gleichen Maße leisten wie Erwachsene. Schon gar nicht in einer Gesellschaft, in der die Wirklichkeit so konsequent verdreht wird. Woher sollen Kinder denn wissen, dass es sich bei dem Film um Falschdarstellungen handelt, die auf einem jahrhundertealten Klischee beruhen, dass auf ein Weltbild aufbaut, bei dem weiße Menschen an der Spitze der Rassen-Pyramide stehen? Kindern fehlt dieser Kontext. Erwachsenen übrigens auch zu Hauf. Deshalb beginnen sie sich ja zu wehren und behaupten dann, sie wüssten, was in Wirklichkeit geschehen ist. Aber mal ehrlich, wieso müsst ihr dann an einem so wirren Bild überhaupt festhalten? Wieso müsst ihr es euren Kindern vorspielen? Wieso müssen eure Kinder den rassistischen Brei futtern, den ihr gemischt habt?

Wollt ihr wirklich eure Angst, dass ihr nicht mehr die einzigen seid, die über Kulturgüter zu entscheiden haben oder darüber, was uns ausmacht siegen lassen? Wollt ihr Menschen, die betroffen sind, die mitreden wollen und sich gegen eine nationale Identität wehren, die auf Rassismen aufbaut, weiter mundtot machen? Nur aufgrund eurer Angst vor Kontrollverlust, nur deshalb wollt ihr eure Kinder in einer Gesellschaft aufwachsen lassen, in der Rassismus nicht nur hingenommen, sondern sogar durch Kulturgüter wie #winnetou unterstützt wird?

In so einer Gesellschaft möchte ich jedenfalls nicht leben.

Kinder brauchen Repräsentation. Und Ehrlichkeit. Keine neuen Vorurteile.

Und deshalb setzen wir uns bei KuLKids nicht nur dafür ein, dass vielfältige Kinderbücher und Spielzeuge sich weiter verbreiten, sondern klären auch auf, weshalb diese Themen für Kinder schädlich sind. Und weshalb manche Begriffe unseren Wortschatz nicht verbessern. Wenn ihr euch dafür interessiert und euch vielleicht auch die Frage stellt „Was soll ich denn sonnst sagen?“, lest doch einfach hier weiter:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.