Autor: Esther Kalunge
Was ist los mit Winnetou?
Schon mal bei Instagram #Winnetou eingegeben? Oder einfach gegoogelt? Nein. Dann mach das mal. Und dann lies weiter.
Ganz ehrlich. Was soll diese Debatte? Wieso diskutieren wir überhaupt? Ist es nicht offensichtlich, dass bei dem neuen Winnetou-Film, der sich an Kinder richtet, rassistische Klischees bewusst dafür eingesetzt werden, massentauglich zu sein? Dass damit der weiße Drang nach Exotismus gestillt wird? Offensichtlich nicht.
Aber warum nicht? Ganz einfach: Weiße Menschen sind es nicht gewohnt, dass ihre Meinung in Frage gestellt wird. Insbesondere dann nicht, wenn es um Rassismus geht. Mohamed Amjahid erklärt den Zusammenhang mit dem Begriff „White Fragility“. In einer Gesellschaft, wo Weißsein die Norm ist (–> white normativity), entwickeln weiße Menschen „eine defensive Haltung […], wenn sie eine (egal ob harmlose, diplomatische oder humorvoll verpackte) Priviligienkritik hören.“ Sie fühlen sich dann sofort angegriffen. So wie in dieser Debatte. Winnetou verbieten? Wie bitte? Das raubt uns die Identität! Weil Winnetou ja elementar mit der Deutschen Kultur verbunden ist und die Kindheitserinnerungen jetzt zu schwimmen beginnen. Denn im Gegensatz zu Menschen, die von Rassismus betroffen sind (Bi_PoC), können Weiße einfach so tun, als gäbe es ihn nicht. Sie nehmen Rassismus nicht war. Das bezeichnet Amjahid als „den weißen Fleck.“ (Mehr zum Thema Privilegien findest du hier.)
Doch wie sieht es mit den Kindheitserinnerungen aus? Ist etwas dran an dem Argument, dass die Kultur ausgehöhlt wird, wenn literarische Texte hinterfragt und diskutiert, ja sogar umgeschrieben werden, um rassistische Formulierungen auszumerzen wie bei Pipi Langstrumpf? Persönlich finde ich diese Debatte mühselig. Und ärgerlich. Denn was tut es einem Buch wie „die unendliche Geschichte“ schon ab, wenn ich dort Sätze umformuliere, die im Kontext keinen Mehrwert haben, sondern nur Stereotype verfestigen. Hier findest du zwei Beispiele.
„In diesem Lichtschein stieg ab und zu ein Rauchkringel auf, wurde größer und zerging weiter oben in der Dunkelheit. Es sah aus wie die Signale, mit denen I*… sich von Berg zu Berg Nachrichten zuschicken.“
Die unendliche Geschichte
„Strumpfsockig ließ er sich im T*sitz auf den Turnmatten nieder und zog sich wie ein I* die grauen Decken über die Schultern.“
Die unendliche Geschichte
Besonders im zweiten Satz könnte sich Bastian „im Schneidersitz“ hinsetzen und sich die grauen Decken über die Schultern ziehen, ohne dabei auf indigene Völker zu verweisen, die mit dem Geschehen nichts zu tun haben und von denen wir obendrein nicht wissen, wie sie sich Decken über die Schultern ziehen. Es hätte zur Folge, dass Kindern überholte bzw. rassistische Begriffe und damit verbundene Klischees nicht ständig in den Kopf gemauert werden, während der Satz inhaltlich und sprachlich nichts einbüßen würde. Abgesehen davon ist es eine der Merkmale guter Literatur, Klischees zu vermeiden. Wieso halten wir also an Klischees fest, die in früheren Texten vorkommen?
Bei der neuen Winnetou-Debatte geht es aber nicht um das Umschreiben oder gar Verbieten von historischem Material und Texten von bereits verstorbenen Autor*innen, sondern um neu erzählte Geschichten. Die Frage ist, wieso diese die Fehler der Vergangenheit überhaupt reproduzieren müssen. Die größte Problematik, und daher vermutlich auch die hitzige Diskussion, ist meines Erachtens ohnehin, dass diese Neu-Verfilmung sich konkret an Kinder richtet. Denn Kinder können die so häufig bemühte Abstraktion zwischen Fiktion und Realität nicht im gleichen Maße leisten wie Erwachsene. Schon gar nicht in einer Gesellschaft, in der die Wirklichkeit so konsequent verdreht wird. Woher sollen Kinder denn wissen, dass es sich bei dem Film um Falschdarstellungen handelt, die auf einem jahrhundertealten Klischee beruhen, dass auf ein Weltbild aufbaut, bei dem weiße Menschen an der Spitze der Rassen-Pyramide stehen? Kindern fehlt dieser Kontext. Erwachsenen übrigens auch zu Hauf. Deshalb beginnen sie sich ja zu wehren und behaupten dann, sie wüssten, was in Wirklichkeit geschehen ist. Aber mal ehrlich, wieso müsst ihr dann an einem so wirren Bild überhaupt festhalten? Wieso müsst ihr es euren Kindern vorspielen? Wieso müssen eure Kinder den rassistischen Brei futtern, den ihr gemischt habt?
Wollt ihr wirklich eure Angst, dass ihr nicht mehr die einzigen seid, die über Kulturgüter zu entscheiden haben oder darüber, was uns ausmacht siegen lassen? Wollt ihr Menschen, die betroffen sind, die mitreden wollen und sich gegen eine nationale Identität wehren, die auf Rassismen aufbaut, weiter mundtot machen? Nur aufgrund eurer Angst vor Kontrollverlust, nur deshalb wollt ihr eure Kinder in einer Gesellschaft aufwachsen lassen, in der Rassismus nicht nur hingenommen, sondern sogar durch Kulturgüter wie #winnetou unterstützt wird?
In so einer Gesellschaft möchte ich jedenfalls nicht leben.
Und deshalb setzen wir uns bei KuLKids nicht nur dafür ein, dass vielfältige Kinderbücher und Spielzeuge sich weiter verbreiten, sondern klären auch auf, weshalb diese Themen für Kinder schädlich sind. Und weshalb manche Begriffe unseren Wortschatz nicht verbessern. Wenn ihr euch dafür interessiert und euch vielleicht auch die Frage stellt „Was soll ich denn sonnst sagen?“, lest doch einfach hier weiter:
Exotisch
Wer oder was ist exotisch?
Viele Jahre arbeitete ich als Projektmanagerin im Übersetzungsbereich. Je nachdem, welche Sprachen beauftragt wurden, waren bestimmte Teams für die Umsetzung zuständig. Da gab es das Englisch-Team oder Deutsch-Team und viele andere. Aufgrund der Vielzahl an Sprachen konnte nicht jede Sprache durch ein eigenständiges Team vertreten werden. Die Sprachen, die selten beauftragt wurden, gruppierten wir deshalb in geografische Einheiten wie das Asien-Team oder das Ost-Europa-Team. Was dann noch übrig blieb, galt als „Exotische Sprache“. Dazu zählten z.B. Farsi, Hindi oder Tamil. Genau definiert war das natürlich nicht.
Fragt sich, was genau „exotisch“ eigentlich ist. Der Duden definiert es so: „fernen (besonders überseeischen, tropischen) Ländern, Völkern eigentümlich, ihnen zugehörend, entstammend; [der Art, dem Aussehen, Eindruck nach] fremdländisch, fremdartig und dabei einen gewissen Zauber ausstrahlend“. Für mich ist genau dieser letzte Zusatz der springende Punkt: „einen gewissen Zauber ausstrahlend“. Denn grundsätzlich bedeutet exotisch scheinbar nichts anderes als „von weit her“, „fremd“, „ausländisch“. Wieso sage manche Menschen dann zu anderen „du siehst exotisch aus“, nicht aber „du siehst fremd aus“? Vermutlich, weil sie der Ansicht sind, „exotisch“ sei etwas Positives, weil es bedeutet, dass ihr Gegenüber einen fremdländischen, eigentümlichen Zauber ausstrahlt. So ein bisschen wie die edlen Wilden, als die indigene Völker Nord- und Südamerikas oft gesehen werden. Ein bisschen wie Winnetou.
Wenn du eine Person als „exotisch“ bezeichnest, machst du sie zu einem „Anderen“. Die Fachsprache nennt das „Othering“.
Was ist daran aber falsch? Nun, wenn du ein Essen, eine Sprache und insbesondere einen Menschen als „exotisch“ bezeichnest, sagst du damit gleichzeitig, die Person sei fremd und wenn etwas oder jemand fremd ist, gehört er/sie/es eben nicht dazu. Sagst du also einem deutschen Kind, nur weil sein Haar lockig oder seine Haut dunkel ist, es sehe „exotisch“ aus, dann weiß dieses Kind, dass es nicht „Deutsch“ aussieht und das bedeutet, es gehört nie so richtig dazu. Für viele Menschen ist es nämlich „anders“, „fremd“, „eigentümlich“, „ausländisch“ und wenn sie stattdessen „exotisch“ sagen, denken sie, sie machen ihm ein Kompliment. Denn dann bewundern alle seine Haut, sein Haar, wollen mal anfassen und finden alle möglichen Vergleiche, was dieses Kind so mag, kann, möchte.
Auf den Punkt gebracht heißt das: Indem du eine Person als „exotisch“ bezeichnest, machst du sie zu einem „Anderen“. In der Fachsprache gibt es dafür den Ausdruck „Othering“. Es hat etwas mit der Einordnung „das Eigene“ im Gegensatz zum „Fremden“ zu tun. Wir sortieren, was dazu gehört und was nicht. Was „exotisch“ ist, ist nicht „einheimisch“ und gehört nicht hierher. Wir finden es zwar toll und freuen uns daran, aber nur deshalb, weil es fremd ist.
Und genau wie sich bei der Frage „Wo kommst du denn her?“ unterschwellig die Frage „Wann gehst du zurück?“ anschließt, beinhaltet das Label „exotisch“ dieses „schön, dass du hier bist. Wir freuen uns, wenn unser Land bunt und vielseitig ist. So lange es nicht zu viele bunte Punkte werden.“ Denn, mal ehrlich, wenn plötzlich alle „exotisch“ wären, könnten wir uns daran ja nicht mehr freuen, oder? Denn dann wäre Deutschland plötzlich exotisch – oder auch gerade nicht, denn wenn alle exotisch sind, ist niemand exotisch. Und das wollen wir nicht, oder?
„Exotisch“ hat immer etwas mit der Sichtweise zu tun. Aus meiner Sicht gesehen, ist etwas anderes weit weg, unbekannt und fremd. Insofern könnten Menschen aus Indien Deutschland als exotisch bezeichnen. Allerdings ist da ja noch der Aspekt des „Tropischen“, auf den der Duden verweist. Die Romantik der Ferne. Dieser Traum von schönen Sonnenuntergängen und weißem Sand, Kokosnüssen und Reggae-Musik. Der Traum der Ferne, den uns Menschen durch ihr Aussehen näherbringen, ebenso wie Gerüche und Geschmäcker fernen Essens und Musik, Kleidung, Tanz, Sprache. Alles, was unser Fernweh hervorruft, projizieren wir auf diese Menschen.
Häufig wird „exotisch“ auch mit „orientalisch“ gleichgesetzt. Der „Orient“, diese ebenfalls „ungenaue Bezeichnung für ‚Länder im Osten'“, wie das Klexikon es kindgerecht beschreibt, diente Europa lange als Projektionsfläche für alles, was den Engen und Zwängen der europäischen Gesellschaften widersprach. Das Interesse an dieser ungewissen Fremde wuchs in Europa im 19. Jahrhundert derart, dass Menschen, insbesondere Intelektuelle, die dorthin aufbrachen, dies nicht nur für sich selbst taten, sondern, um den „Orient“ für die Dagebliebenen zu erschließen. Diese „Orientreisen“ gaben den „europäischen Imaginationen des „Orients“ einen realen Raum, in den auch Stereotype, Machtverhältnisse und Begierden hineinprojiziert und manifest wurden“ (Quelle: Wien Museum). So brachten die Reisenden Geschichten und Vorstellungen des „Orients“ mit, die weniger dem entsprachen, was sie vorfanden, als mehr dem Bild, das in Europa über diese Erdteile vorherrschte. Dieses Bild wurde durch Reiseberichte, Kunstwerke, Architektur und Interieur sowie Völkerschauen weiter gespeist.
In einem der Grundlagenwerke der Postcolonial Studies, „Orientalism“, beschrieb Edward Said schon 1978 diese Thematik ein. Als einer der Ersten weist er auf die binäre Einteilung der Welt (aus Sicht Europas) in Osten und Westen – Orient und Okzident – hin. Im Buch geht er darauf ein, wie „Orientalismus“ dazu beigetragen hat, die Identität der westlichen Welt zu formen, indem der „Orient“ für all das stand, was der Westen selbst nicht ist oder sein wollte. Der Westen machte die „orientalische Welt“ also zu seinem „Anderen“. Adia Qasim fasst seinen Nachlass u.a. so zusammen, dass Said uns dazu herausgefordert hat, unseren Vorurteilen gegenüberzutreten:
You have challenged us to confront our prejudices and find common ground with the “other side” as we acknowledge our mutual suffering without negating or minimizing the historical injustices visited upon us.
Aida Qasim about Edward Said
Quelle: https://www.edwardsaid.org/articles/aida-qasim/
Vorurteile überwinden, so sind wir bei KuLKids überzeugt, ist der erste Schritt, Sichtweisen aufzubrechen, die zu Uneinigkeit, Abneigung, Streitigkeiten und letzten Endes auch Kriegen führen. Selbstverständlich löst die simple Verwendung eines Wortes wie „exotisch“ oder „orientalisch“ in Bezug auf eine Person oder Lokalität nicht direkt einen Krieg aus. Aber die kollektive Ansammlung bestimmter Vorurteile und Erwartungen bringt eine innere Haltung mit sich, die klare Trennlinien zwischen dem Eigenen und dem Fremden schafft. Je fester sich diese zementieren, desto überzeugter die Haltung. Hieraus resultieren Bewegungen wie Pegida, die nicht nur gesellschaftliche Akzeptanz, sondern auch politische Handlungsfähigkeit erlangen, wie es bei der AfD der Fall ist. Aufgrund dieser Verknüpfung von Denken, Ideologie und Handlung, stehen wir dafür ein, von Anfang an auf sprachliche Feinheiten zu achten, Kinder für Stereoptypisierungen zu sensibilisieren und dabei selbst unser Denken immer wieder neu zu hinterfragen.
Sie/Er/Dey? – Selbstbezeichnung laut Gesetz
So schreitet Gleichberechtigung voran. Schritt für Schritt. Nun soll es bald möglich sein, den Namen und das Geschlecht selbst festzulegen. Dies soll nicht an die binären Geschlechtsbezeichnungen gebunden sein.
Wie Menschen bezeichnet werden wollen, die nicht „Er“ oder „Sie“ sind, wird weiterhin diskutiert. Es gibt jede Menge Möglichkeiten. Das Nichtbinär-Wiki hat einige gesammelt.
Wir sind nachhaltig
KuLKids unterstützt Nachhaltigkeit. Möchtest du mehr darüber wissen?
Dann schau hier nach:
Schwarzafrika
Wie Europas Kolonialgeschichte unsere Sprache prägt
Ich mag es, Wörter zu zerlegen. Machen wir es hier also auch. Schwarzafrika. Oder auch Schwarz – Afrika. Bestehend aus:
- Einer Farbe (schwarz)
- Einer geografischen Bezeichnung (Afrika)
Wie immer stelle ich mir die Frage, in welchem Kontext ein bestimmter Begriff verwendet wird. Würdest du beispielsweise sagen, du fährst in den Urlaub nach „Schwarzafrika“? Oder betrifft es Nachrichten aus einem bestimmten Erdteil? Die Faustregel, nach der wir uns richten können, wenn wir bestimmte Wörter benutzen möchten, ist immer gleich (–> „Was soll ich sonst sagen“). Wenn es – wie bei diesem Begriff – um eine geografische Bezeichnung geht, wieso verwendest du dann einen Begriff, der geografisch völlig unpräzise ist? Wieso kombinierst du ihn mit einem Adjektiv, das sich – in diesem Fall – auf die vermeintliche Hautfarbe der Bevölkerung dieses Erdteils bezieht? Ist das bei Ortsbeschreibungen üblich? Was genau meinst du damit und wieso?
Beispiel Europa
Ersetzen wir mal den Kontext und sprechen über Europa. Meiner Erfahrung nach hilft das meistens ziemlich gut, sich bewusst zu machen, was man da eigentlich sagt. Würdest du auf einen ähnlichen Begriff zurückgreifen und zum Beispiel von „Weißeuropa“ sprechen? Vermutlich nicht. In erster Linie, weil es keinen Sinn macht, in zweiter, weil nicht klar ist, was überhaupt gemeint ist. Und drittens, weil es problematisch ist, eine geografische Einheit mit einer konstruierten Hautfarbe zu verbinden.
Was bedeutet Schwarzafrika?
Was hat es also mit „Schwarzafrika“ auf sich? Gemeint ist doch: Afrika südlich der Sahara. Oder Subsahara-Afrika. Damit wärst du zumindest sprachlich auf der sicheren Seite und drückst dich geografisch präziser aus. Die Frage ist aber: Wann und weshalb sprichst du von dieser Einheit? Geht es um eine wissenschaftliche Auseinandersetzung? Beispielsweise um meteorologische Erkenntnisse, soziale Unterschiede, eine politische oder historische Einordnung? Dann macht es vielleicht Sinn, Afrika in eine nördliche und südliche Einheit einzuteilen, die Sahelzone mittendrin. Oder geht es um eine verallgemeinernde Aussage, die deinen eigenen Annahmen zugrunde liegt, dir zu Ohren gekommen ist oder mit diffusen Quellen belegt ist? Hier ist Vorsicht geboten.
Was ist dein Kontext?
Mein Tipp: Werde spezifischer! Redest du über Ost-, Süd- oder Westafrika? Das südliche Afrika? Das Horn von Afrika? Oder weißt du es gar nicht genau? Möglicherweise ist die Aussage, die du triffst, eine Verallgemeinerung? Dann hilft es nicht, „Schwarzafrika“ mit einem sprachlich korrekten Begriff zu ersetzen. (Beispiel: Im Afrika südlich der Sahara sind die Menschen arm.) Am besten sprichst du über ein spezifisches Land in Afrika oder über eine Region (z.B. die Ostküste Afrikas), auf die du dich beziehst. (Beispiel: Der Bevölkerungsanteil, der unter der Armutsgrenze von 1€/Tag lebt, liegt in Ruanda bei XXX% – Quellenangabe nicht vergessen!)
Afrika in der Berichterstattung
Spätestens in der Berichterstattung solltest du darauf achten, die Länder und Erdteile, über die du schreibst, präzise zu bezeichnen und nicht auf verallgemeinernde Begriffe zurückzugreifen. Insbesondere solltest du Verallgemeinerungen, die auf eine kolonialistische Vergangenheit zurückgehen, vermeiden. Das ist bei „Schwarzafrika“ der Fall, siehe hier: https://www.univie.ac.at/tmb/schwarzafrika-gibt-es-nicht/.
So machst du es richtig
Zahlreiche Staaten vor allem an der West- und Ostküste Afrikas sind zu rasch wachsenden Produzenten geworden. Zu diesen neuen Akteuren zählen Tansania und Mosambik (Gas), sowie Ghana, Äquatorial-Guinea und Uganda (Öl). In den kommenden fünf Jahren wird die Ölproduktion in Sub-Sahara Afrika um jährlich etwa 4 bis 5 Prozent wachsen.
https://www.bpb.de/themen/wirtschaft/energiepolitik/147056/sub-sahara-afrika/
Eine ausgewogene Verwendung der Begriffe „Subsahara-Afrika“ oder „Afrika südlich der Sahara“ gelingt Denis M. Tull der Bundeszentrale für politische Bildung in seinem Artikel „Sub-Sahara-Afrika“ (Creative Commons Licence CC BY-NC-ND 3.0 DE). Darin trifft er sowohl Aussagen über die Region als Ganze als auch Beobachtungen zu einzelnen afrikanischen Ländern: https://www.bpb.de/themen/wirtschaft/energiepolitik/147056/sub-sahara-afrika/. Das ermöglicht beim Lesen einen differenzierten Überblick. Der Autor liefert ebenso Informationen zur Region Subsahara-Afrika wie die Vielfalt und Unterschiede innerhalb dieser Region. So nimmst du Subsahara-Afrika nicht als einheitliche Masse wahr.
„Schwarzafrika“: Finster, schwarz, gefährlich
Afrika als Spielbrett europäischer Fantasien
Wenn dich all das nicht überzeugt, versuchen wir es damit: Der Begriff „Schwarzafrika“ trägt einen unschönen Beiklang. Mir fällt noch folgender ein: „Der dunkle Kontinent“. Beides, „schwarz“ und „dunkel“, transportiert finstere, unangenehme Gefühle, sie haben etwas Angsteinflößendes, Illegales. Sagt übrigens auch der Duden. Gib dort doch mal den Begriff „schwarz“ ein und schau dir die Synonyme an. Auf die kommst du bestimmt auch selbst, wenn du überlegst, in welchen Zusammenhängen du den Begriff „schwarz“ umgangssprachlich benutzt. Zum Beispiel beim Schwarzfahren oder wenn du jemandem den schwarzen Peter zuschiebst oder alles schwarzmalst, wenn das schwarze Schaf in der Familie mal wieder Unheil stiftet oder jemand mit schwarzer Magie Böses herbeischwört.
Kolonialreisen in der Literatur
Mir als Literaturwissenschaftlerin kommt natürlich auch „Das Herz der Finsternis“ in den Sinn. Der Roman von Joseph Conrad vom Ende des 19. Jahrhunderts beschreibt die Menschen aus Afrika als Schattengestalten, die Geistern gleich die Buchseiten durchstreifen. Sie verwandeln die Reise des europäischen Protagonisten in ein Mysterium, verursachen Unbehagen, ja, Schrecken. Ohne Namen und Gesichter wirken sie nicht wie Menschen. Sie sind das Abbild eines Europas, das sich einen Gegenpol sucht, einen Ort, der noch ursprünglich ist, geleitet vom Gefühl, nicht vom Verstand, frei von den Regeln und Engen der modernen Gesellschaft. „Schwarzafrika“ ist hier im wahrsten Sinne des Wortes der primitive Erdteil, den Europa für seine exotistischen Fantasien herbeigedichtet hat. Wenn du mehr darüber wissen möchtest, lies die Abhandlung des nigerianischen Autors Chinua Achebe „An Image of Africa: Racism in Conrad’s Heart of Darkness“, veröffentlicht 1988 in der Sammlung Hopes and Impediments. Interessante Gedanken dazu bietet auch das Portal www.postcolonialweb.org.
Was du mit „Schwarzafrika“ sagst
All das und noch viel mehr schwingt in dem Begriff „Schwarzafrika“ mit. Abgesehen davon, dass seine Verwendung unpräzise, und geografisch meist unkorrekt ist, transportiert er die Gefühle, die den europäischen Kolonialismus geleitet haben. Diese Sicht hat mittlerweile auch der Duden übernommen. Wenn du diese Botschaft nicht vermitteln willst, vermeide den Begriff lieber und ersetze ihn mit den Ländern und Regionen, über die du tatsächlich sprichst. Und wenn du dir nicht sicher bist, worauf du dich beziehst, ist vielleicht der Inhalt dessen, was du gerade sagst, nicht ganz korrekt (–> „Und was sage ich dann?“). Deshalb, lieber nochmal überlegen 😊.
Mischling
Mal ehrlich, woran denkst du als erstes, wenn du das Wort „Mischling“ hörst?
Genau. Bei mir funktioniert da auch ein Schalter im Gehirn, der beim Wort „Mischling“ automatisch auf „Hund“ umleitet. Du kannst auch einfach mal googlen und schauen, was dabei rauskommt.
Eigentlich ist das doch schon ausreichend, oder?
Herkunft
Na gut. Ein bisschen Hintergrund biete ich dir an. Den Rest musst du dir aber selbst herleiten, in Ordnung?
Mal überlegen. Wir haben es mit einem Begriff zu tun, den wir in der Regel für Tiere benutzen. Meines Erachtens ein klares Indiz, dass dieser Begriff für Menschen tabu sein sollte. Schauen wir uns doch mal an, auf welcher Basis dieser Begriff beruht.
Ganz banal gesagt ist ein „Mischling“ doch eine „Mischung“ zwischen bestimmten Merkmalen, die wir unterscheiden. Das könnte dann im Prinzip jede und jeder sein, egal ob Tier oder Mensch, denn wir alle sind eine Mischung aus unseren beiden Elternteilen und dem Erbgut, das da so über die Jahrhunderte zusammengekommen ist. In der Tierwelt verwenden wir den Begriff „Mischling“ aber nicht für jedes Tier, sondern nur für Tiere, die einer Kreuzung von unterschiedlichen Rassen entstammen. Im Umkehrschluss bedeutet das zweierlei:
Alternativen
Im Deutschen kannst du am besten "Afro-Deutsch" oder "Schwarze Deutsche" verwenden. Für konkrete Kontexte ist auch "Schwarze/r" oder "Deutsch-Kameruner/in" möglich. Als Sammelbezeichnung bietet sich "People of Colour" (POC) an.
- Es gibt eindeutig voneinander abgrenzbare Rassen. Dementsprechend gibt es Rasse-Tiere (der Begriff wird für reinrassige Tiere verwendet, bezeichnet also Tiere, die nachweislich nur einer einzigen Rasse angehören), und eben Mischlinge, eine Mischung aus zwei oder mehr Rassen.
- Tierrassen gehen auf einen vom Menschen beabsichtigten Eingriff zurück (daher auch der Begriff „Kreuzung“) und beruhen nicht auf einem natürlichen biologischen Abgrenzungsprozess.
Jetzt muss ich mich leider wiederholen. Eigentlich ist das doch schon ausreichend, oder? Wenn wir den Begriff „Mischling“ als eine Bezeichnung verwenden, die darauf aufbaut, dass einzelne voneinander abgrenzbare, absichtlich herangezüchtete Rassen miteinander gemischt werden, dann hat der Begriff im Zusammenhang mit Menschen nichts zu suchen. Denn damit sagen wir nichts anderes, als dass wir der Meinung sind, Menschen könnten wir auch in Rassen einteilen, die sich in ihrem Erbgut soweit unterscheiden, dass sie nicht einer einzelnen Kategorie zuzuordnen sind. Solltest du diese Meinung vertreten, dann kannst du das nächste Mal, wenn du das Wort „Mischling“ für einen Menschen verwendest, auch Auskunft darüber geben, welche beiden (oder mehrere) Rassen bei der von dir so bezeichneten Person sich denn gekreuzt haben und was diese beiden voneinander unterscheidet.
Muss ich noch mehr sagen?
Ich hätte da was für dich…
Falls du offizielle Quellen suchst, die sich mit dem Begriff „Rasse“ beschäftigen, empfehle ich dir, dich beim Deutschen Institut für Menschenrechte umzusehen oder auch bei wissenschaftlichen Einrichtungen wie der Universität Jena.
Ein wunderbares Nachschlagewerk für die Erklärung rassistischer Begriffe ist Afrika und die deutsche Sprache, herausgegeben von Susan Arndt und Antje Hornscheidt (Hg.)
…Und was soll ich sonst sagen?
Die Frage schließt sich immer an, wenn du jemanden darauf hinweist, dass ein bestimmter Begriff rassistisch sei. Das Lieblingswort umschreibe ich mal, statt es aufzuschreiben: Die Menschen mit dem Federschmuck und den Mokkasins. Kein Wunder, dass selbst kleine Kinder jetzt schon wissen, worum es geht. Obwohl hinlänglich bekannt sein sollte, dass es sich bei diesem Begriff erstens um eine Fehlbenennung, zweitens um ein Stereotyp und drittens um eine Verharmlosung von Völkermord handelt, hält er sich hartnäckig und immer wenn man den Leuten sagt, dass dies so sei, fragen sie: „Was soll ich denn sonst sagen?“
Die beste Lösung in den allermeisten Kontexten ist ganz klar:
Gar nichts.
Hä? Wie jetzt?
Bleiben wir beim Beispiel. Überleg dir am besten, wann du diesen Begriff benutzt. Ich kenne so manche Beispiele. In Hörspielen und Büchern kommt der Satz gern vor, aber auch in der Kita wurde den Kindern zugerufen: „Jetzt schleicht mal wie die I….“ Du weißt, wie es weitergeht. In einer Turn-Spiel-Gruppe hatten wir mal ein schönes Spiel. Die Kinder sollten von einem Ende der Halle zum anderen laufen und dabei die Geräusche und die Gangart verschiedener Tiere nachmachen. Die Anweisungen hießen zum Beispiel: „Jetzt stampft mal wie ein Elefant.“ Oder: „Schlängelt euch wie eine Schlange durch die Halle.“ Du wirst es raten. Eine Ansage lautete: „Nun schleicht mal wie…“
Klar, da konnte ich nicht still bleiben. Und klar, die Gegenfrage blieb nicht aus. Was sonst sagen? Jetzt macht langsam meine Antwort Sinn, oder? Weshalb, in aller Welt, muss man bei einem Spiel, in dem Tiere nachgeahmt werden, Menschen einbauen? Was haben sie dort überhaupt zu suchen? Abgesehen davon, dass dieses Rumgeschleiche und -geheule ein absolutes Stereotyp ist und nichts mit den Menschen zu tun hat, die vermeintlich mit dem Begriff gemeint sind. Dieses Wort ist zu einem Allzweck-Konsortium für unsere exotistischen Träume geworden (okay, das war jetzt vielleicht etwas wissenschaftlich angehaucht). Was ich meine: Wenn du dir die Situationen anschaust, in denen du das Wort „Indianer“ sagst, wirst du merken, dass du es in der Regel ersatzlos streichen kannst, da es nicht in den Kontext passt. Es wäre in so einem Fall kein bisschen besser zu sagen: „Nun schleicht mal wie Angehörige der indigenen Völker.“ Das wäre vielleicht der politisch korrekte Begriff, aber der Kontext ist dennoch rassistisch. Vielleicht erfüllt die Verwendung des korrekten Begriffes an der Stelle immerhin einen Zweck: Sie führt dir die Absurdität dessen vor Augen, was du gerade sagst.
Ergo: Mach dir bitte zuerst Gedanken, weshalb du einen bestimmten klischeebehafteten, stereoptypen oder rassistischen Begriff verwendest.
- Willst du ein Kinderspiel spielen, dich verkleiden, ein Bild malen oder einen Charakter in deine Geschichte einbauen, der anders ist? Dann bringt eine neue Benennung nichts. Ersetze nicht die Begriffe, sondern ersetze die Situation, indem du Menschen aus deinem eigenen kulturellen Kontext wählst.
- Hältst du einen Vortrag über die indigenen Völker Nord- oder Südamerikas? Oder über die Eroberung und Kolonisation dieses Kontinents? Klar, dann musst du etwas über diese Menschen sagen. In dem Fall recherchier bitte gut, welches die korrekten Begriffe zu dem Zeitpunkt sind, zu dem du den Vortrag hältst und in der Sprache, in der du ihn hältst. Begrifflichkeiten können sich nämlich ändern und werden in unterschiedlichen sprachlichen und kulturellen Kontexten anders verwendet. Du solltest immer darauf achten, was die Selbstbenennung der Menschen ist, um die es geht, und wie sie von anderen benannt werden wollen.
Weitere beliebte Beispiele:
- „Die Eskimos haben 50 verschiedene Wörter für Schnee.“
–> Diese Aussage kannst du ersatzlos aus deinem Wortschatz streichen. Verwende sie bitte nie als Einstieg in ein Referat, einen Vortrag oder ähnliches. Abgesehen davon, dass du hier einen rassistischen Begriff (Eskimo) verwendest, bedienst du Klischees und benutzt Beispiele aus Kontexten, die mit deinem Vortrag vermutlich nichts zu tun haben. Hast du überhaupt recherchiert, ob die Behauptung stimmt? Gibt es diese eine Sprache, in der vermeintlich 50 Wörter für Schnee auftauchen? Wusstest du, dass „Eskimo“, ähnlich „Indianer“, eine Sammel- und Fremdbezeichnung ist? Statt also zu fragen, was du stattdessen sagen solltest – diese Frage ist nämlich nicht so einfach zu beantworten, da sich die Betroffenen selbst uneinig sind – solltest du dich zuerst fragen, ob du den Begriff wirklich benötigst oder ob er inhaltlich gar nicht in dein Thema passt. Auch hier wieder: Hältst du einen Vortrag über das nördliche Polargebiet, Alaska, die Arktis oder ähnliches, macht es sicherlich Sinn, dich mit der Bezeichnung auseinanderzusetzen und zu recherchieren, wie die verschiedenen Bevölkerungsgruppen sich selbst bezeichnen und von anderen benannt werden möchten. Bitte nutze dazu unterschiedliche Quellen, die Angaben können nämlich voneinander abweichen.
Was schließen wir daraus?
Wenn du über andere Menschen sprichst oder schreibst, insbesondere, wenn diese Menschen aus einem Kontext stammen, der dir nicht vertraut ist, informiere dich genau, welche Bezeichnungen in Umlauf sind, wie sie historisch entstanden sind und was du damit aussagst. Das kann dich im Zweifelsfall vor verallgemeinernden, falschen oder rassistischen Aussagen bewahren. Es kann auch helfen, sich die Begriffe, die du gelernt hast, genauer anzuschauen. Oft kannst du ihre Unzulänglichkeit schon am Wort erkennen (Gutes Beispiel: Mischling).
Hinterfragen
Ganz wichtig: Lass dich nicht unterkriegen. Das ist alles nicht so schwer, wie es aussieht. Es bedeutet nur, dass wir uns beim Sprechen – und besonders Schreiben – etwas mehr anstrengen müssen. Und vor allem: Die Sprache, mit der wir aufgewachsen sind, sollten wir immer wieder hinterfragen. Sie ist von rassischem und kolonialistischem Denken geprägt. Wenn du nicht so denken und vor allem keine vorurteilsbehaftete Sprache an deine Kinder weitergeben möchtest, bleibt dir nichts anderes übrig, als dich damit zu beschäftigen. Zum Glück findest du dabei ganz viel Unterstützung. Auch KuLKids kann helfen. Frag uns einfach oder sieh dich in unserer Kreativ-Ecke um.
Warum darf ich eigentlich nicht…?
XXX sagen?
Halt, stopp. Es geht nicht darum, was du sagen darfst und was nicht. Grundsätzlich darfst du nämlich alles. Natürlich gibt es Aussagen, nach denen du strafrechtlich verfolgt werden kannst. Das fällt dann in die Kategorien „Beleidigung“, „Verleumdung“ und so weiter. Darauf möchte ich hier aber nicht eingehen, da kannst du auf polizeilichen oder juristischen Blogs mehr erfahren, z. B. bei dieser erst kürzlich erschienen Story auf Jura-online, ob es eine Beleidigung sei, „schwul“ zu sagen.
Bei uns geht es darum, weshalb bestimmte Begriffe oder Wendungen verletzend sind und weshalb es in deinem Interesse sein sollte, diese Begriffe zu vermeiden. Klar, du kannst sie weiter verwenden, nach dem Motto „ist mir doch egal“. Aber dann sag nachher bitte nicht, du hättest nicht gewusst, dass diese Begriffe rassistisch sind. Oder zumindest klischeebehaftet. Jedenfalls solltest du das nicht behaupten, nachdem du diesen Blog gelesen hast. Hier findest du Hintergründe zu verschiedenen Begriffen, die zwar wissenschaftlich belegt, hier aber möglichst einfach erklärt sind. Danach verstehst du hoffentlich, wieso sie deinen Wortschatz garantiert nicht bereichern.
Los geht’s! Klicke auf einen der Begriffe und finde mehr darüber heraus. Die Liste wird nach und nach aufgefüllt.
Diese Begriffe erweitern deinen Wortschatz garantiert nicht
PS: An alle unter euch, die sich mit dem Thema auskennen: Bitte erwartet hier keinen anspruchsvollen wissenschaftlichen Beitrag. Die Informationen sind selbstverständlich wissenschaftlich fundiert. Dieser Blog hegt aber keinesfalls den Anspruch, vollständig zu sein, noch möchte ich auf alle zu betrachtenden Differenzen eingehen. Vielmehr geht es darum, zum Teil komplexe sozialwissenschaftlich-philosophische Themenfelder verständlich darzulegen. Verzeiht mir daher eine gewisse Ungenauigkeit. Sollten sich tatsächliche Fehler oder Mängel eingeschlichen haben, wichtige Punkte zu kurz kommen oder gar fehlen, bin ich natürlich dankbar, wenn ihr mich darauf aufmerksam macht. Ich bemühe mich dann schnellstmöglich um eine Korrektur.
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Was sind Privilegien?
Wenn du diese Seite angeklickt hast, möchtest du bestimmt wissen, weshalb wir uns den Aufwand gemacht haben, so etwas wie KuLKids überhaupt ins Leben zu rufen. „Für jedes Kind ein Spiegelbild“, was soll das heißen? Wieso noch eine Seite über Diversität. (*Anmerkung KuLKids: Es kann eigentlich nicht genug davon geben) Und wieso muss man schon die Kinder damit belasten? (Anmerkung KuLKids: Die Kinder sind sowieso schon vorbelastet.)
Zu viel Diversität ist anstrengend
Diese Fragen stellen viele. Oder sie fragen gar nicht. Sie behaupten einfach, dass es nicht nötig wäre. Dass wir mittlerweile von den Forderungen nach Diversität überhäuft werden. Dass man sich nicht mehr retten könnte von dieser Vielfalt und es einfach nur stören würde, dass heutzutage überall Menschen unterschiedlicher Hautfarben oder sexueller Orientierung, Transgender und Regenbogen-Familien vorkommen müssen, Menschen mit Behinderung dürfen auch nicht fehlen und dann ist da noch die Sache mit den Frauen. Habt ihr auch diesen Tinitus im Ohr?
Entschuldigung, Frauen sind gleichberechtigt, was wollt ihr eigentlich noch? Diese Gleichmacherei geht echt auf die Nerven. Ich will einfach nur in Ruhe einen netten Film schauen und mir nicht ständig darüber Gedanken machen, wer darin vorkommt und wer nicht.
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Das hast du auch schon mal gedacht oder jemanden denken hören? Wusstes du auch, dass man nur so denken kann, wenn man selbst nicht betroffen ist? Wenn man sich selbst ständig und überall repräsentiert sieht, braucht man sich nicht damit zu beschäftigen, dass es anderen an Repräsentation fehlt. Diese Freiheit, sich keine Gedanken darüber machen zu müssen, ob die eigene Sichtweise in Büchern, Filmen, politischen Debatten, wirtschaftlichen Interessen, Bildungsangeboten etc. vertreten ist, nennt man Privileg. Privilegien erkennt man daran, dass sie unsichtbar sind. Ergo: Man erkennt sie nicht. Man hält sie für selbstverständlich. Sie machen uns deshalb blind für das, was andere betrifft.
Den Schuh der anderen anziehen
Falls du schon einmal mit Kinderwagen in Berlin unterwegs warst, hast du einen Vorgeschmack dessen, wie es ist, im Rollstuhl zu sitzen und ständig nach dem Fahrstuhl suchen zu müssen. Vielleicht verstehst du auch, was es bedeutet, wenn der kaputt ist. Der Unterschied: Den Kinderwagen kann ich zur Not die Treppe runtertragen. Dazu muss ich vielleicht um Hilfe bitten, aber es geht. Außerdem liegt mein Kind ja nicht für immer im Kinderwagen. In einem Rollstuhl bin ich ununterbrochen auf die Funktionstüchtigkeit der barrierefreien Ausstattung der Öffentlichkeit angewiesen. Oder auf die Unterstützung anderer. Das Privileg, mich frei überall hinzubewegen, habe ich nicht. Was nicht heißt, dass ich nicht andere Privilegien haben könnte.
Beispiel
Sitze ich als weiße, heterosexuelle cis-Frau im Rollstuhl, habe ich zwar die Benachteiligung durch zum Teil fehlende Barrierefreiheit, dennoch genieße ich die Privilegien eines weißen Menschen in einer weißen Mehrheitsgesellschaft. Im Klartext:
- Ich werde nicht gefragt, woher ich komme
- Noch wird mir hinterhergerufen, ich solle doch wieder dorthin zurück
- Niemand wundert sich darüber, dass ich so gut Deutsch kann
- Ich habe größere Chancen, wenn es um Jobs oder Wohnungen geht
Da sagst du jetzt vielleicht:
Frauen und Männer – ein veraltetes Märchen?
Äh, nein. Ich bin der beste Beweis dafür. Einmal hatte ich einen Kollegen (gleiche Arbeit, ähnliche Erfahrung), der mit fast 1/3 mehr Gehalt eingestellt wurde als ich. Das ist mir über Umwege zu Ohren gekommen. Als ich meinen Chef fragte, wie das sein kann, erhielt ich die Information,
dass von dem Gehalt des Kollegen schließlich die ganze Familie leben müsste.
Ein Chef
Entschuldigung?! Was ist das für ein Argument? Von meinem Gehalt hat zu dem Zeitpunkt auch die ganze Familie gelebt. Abgesehen davon sei er mit der Absicht eingestellt worden, befördert zu werden, was auch kurze Zeit später geschah. Zwar wurde ich zeitgleich ebenfalls befördert, musste dennoch darum kämpfen, dass mein Gehalt dem neuen Job angeglichen wurde. Genauso viel wie mein männlicher Kollege habe ich trotzdem nicht verdient, obwohl ich bereits mehrere Jahre im Unternehmen war und ihm weitere Jahre treu blieb. Mein männlicher Kollege verließ den Job kurze Zeit später. Guess why: Woanders hat er mehr verdient.
Vermutlich hat der Kollege von dem Drama im Hintergrund wenig mitbekommen. Als er sein Gehalt bei der Einstellung verhandelte, wusste er ja auch nicht, dass er damit mehr als alle Kolleginnen in der Abteilung verdienen würde. Er profitierte einfach von seinem Privileg, als Mann in der Gesellschaft immer noch als derjenige angesehen zu sein, der sich um die finanzielle Absicherung der Familie kümmern muss, was ihm im Job entsprechend entlohnt wurde.
Aber genug vom Thema Frau und Mann. Wenn dich das interessiert, schau bald wieder rein, dann findest du mehr dazu.
Normativität mitgedacht
Gehen wir zurück zu unserer Beispiel-Person: Sie ist heterosexuell und nicht nur weiblich geboren, sie definiert sich auch als Frau.
Als solche kann sie zum Beispiel in der Öffentlichkeit mit einem Mann Händchen halten oder sich küssen, ohne dabei fragende, belustigte, irritierte, empörte, angewiderte oder sonstwie abwertende Blicke oder Kommentare zu ernten. Sie kann dementsprechend einfach untergehen.
Selbstverständlich gibt es noch weitere Formen der Diskriminierung, die in unserem Beispiel nicht auftauchen. Man kann aufgrund einer Übergewichtigkeit diskriminiert werden oder wegen der sozialen Herkunft. Ein beruflicher und sozialer Aufstieg ist zum Beispiel sehr viel einfacher, wenn man aus akademischen Schichten kommt, die Familie Besitz aufweisen kann usw. Oder man gehört einer Religionsgemeinschaft an, die ausgegrenzt oder angefeindet wird.
Intersektionalität
Die meisten Menschen profitieren in einem Bereich von Privilegien, während sie in anderen Bereichen einer Diskriminierung unterliegen. Das nennt man Intersektionalität. Wohingegen wir von unseren Privilegien oft nichts merken und sie für selbstverständlich halten, erleben wir die Diskriminierungen bewusst. Es ist hilfreich, sich Gedanken darüber zu machen, von welchen Privilegien wir profitieren, um besser zu verstehen, was andere mit ihren Forderungen nach Gleichberechtigung immer wollen.
Übrigens können auch Benachteiligungen unbewusst erfolgen. Deshalb ist das Argument „ich kenne jemanden, der/die es nicht stört, wenn ich XXX sage“ total sinnlos. Nicht jede*r, der/die von einer Diskriminierung betroffen ist, können dies rationalisieren. Oft werden Diskriminierung gar verinnerlicht und akzeptiert, um damit leben zu können. Das bedeutet nicht, dass sie nicht da wären. So hat beispielsweise meine Großmutter einst ihr Bedauern darüber geäußert, dass sie nichts Handfestes lernen und keiner beruflichen Beschäftigung nachgehen konnte. Dies war ihr nicht vergönnt, weil sie schon als junge Frau auf ihre jüngeren Geschwister aufpassen und ihre Ausbildung aufgeben musste. Später war sie als Mutter und Ehefrau im Haushalt eingespannt. Diese Rolle hat sie nie infrage gestellt, weil sie nun einmal so vorgegeben war. Was aber nicht heißt, dass sie nicht gerne etwas anderes gemacht hätte, wenn es ihr die Gesellschaft ermöglicht hätte.* Dieses Privileg lag damals beim Mann.
Was hat das mit Kindern zu tun?
Kinder lernen von uns. Sie übernehmen unsere Vorurteile, Weltbilder – und Privilegien. Sie halten sie für selbstverständlich und wachsen wie selbstverständlich in die Rolle, die ihnen die Gesellschaft vorgibt. Deshalb ist es wichtig, schon Kinder dafür zu sensibilisieren, dass nicht alle Menschen die gleichen Voraussetzungen haben. Wir bringen ihnen ja auch bei, Wasser und Strom zu sparen, freundlich zu sein und im Team zu arbeiten. Warum also nicht auch, dass sie nicht alles für selbstverständlich halten müssen. Dazu gehören eben auch unsere Privilegien. Der einfachste Weg, das zu tun, ist, indem Menschen in ihrer Vielfalt zur Normalität werden. In Kinderbüchern. In Spielzeugen. In Kitas und Schulen. Denn auf diese Weise reduzieren sich die Privilegien mancher ganz von allein. Deshalb gibt es KuLKids.
* Bitte denkt nicht, dass ich der Meinung wäre, sich auf Kind und Haushalt zu konzentrieren sei falsch oder mache grundsätzlich unglücklich. Jedem/r der/die das für sich entscheidet und gern macht, sei es vergönnt. Problematisch finde ich es, wenn Menschen (i.d.R. Frauen) in diese Rolle gedrängt werden und nicht für sich entscheiden können, ob dies für sie der richtige Weg ist. Es geht hier also um das Privileg, eine Entscheidung für oder gegen beruflichen Aufstieg, Sorge um die Familie, Kindererziehung, Arbeit im Haushalt treffen zu können.